Schneller fit nach Schlaganfall
Im neuen Therapiezentrum von tech2people in der Wiener Seestadt arbeiten Organisatorinnen und Organisatoren, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Patientinnen und Patienten an einem gemeinsamen Ziel: Betroffenen eine hohe funktionale Selbstständigkeit zu ermöglichen und ihnen nach Unfällen und Schlaganfällen zu einer raschen Reintegration in ihren Alltag und in den Arbeitsmarkt zu verhelfen.
Zuständig dafür sind nicht nur die Physio- und Ergotherapeutinnen und -therapeuten, sondern auch robotische Hochleistungsgeräte. Deren Besonderheit: Sie sind durch eine extrem hohe Wiederholungsrate der Übungen innerhalb kurzer Zeit sehr effektiv und unterstützen jeden Patienten und jede Patientin nur genau so viel oder wenig, wie dieser oder diese das gerade benötigt, um optimal trainieren zu können. Selbst Querschnittgelähmte können mithilfe des Exoskeletts oder im Lokomat wieder aufstehen und physiologische Schrittmuster trainieren. Integrierte Geschicklichkeitsspiele und der Einsatz von Virtual Reality bewirken, dass das Intensiv-Training auch Spaß macht und die Compliance der Patientinnen und Patienten nachweislich gesteigert wird.
Erfolge der robotischen Therapie
Dass all diese Geräte in Kombination mit klassischer Physiotherapie effektiver sind als konventionelle Physiotherapie allein, weiß der querschnittsgelähmte Gründer von tech2people, Gregor Demblin, nicht nur aus eigener Erfahrung: Er hat den Spezialisten für neurologische Rehabilitation Priv.-Doz. Dr. Peter Lackner (Facharzt für Neurologie, Leiter des Karl-Landsteiner Instituts für Akutneurologische Forschung) als leitenden medizinischen Berater für das neue Zentrum gewinnen können. Lackner kennt die Zahlen des aktuellen Forschungsstandes zur robotischen Therapie im Detail: „Es gibt Einsatzbereiche, in denen die robotische Physiotherapie schon sehr umfassend erforscht und belegt ist. So gibt es zum Beispiel eine sehr sichere Studienlage dazu, dass Schlaganfallpatientinnen und -patienten eine in etwa doppelt so hohe Chance haben, wieder gehen zu können, wenn sie robotik-assistierte Gangtherapie gepaart mit klassischer Physiotherapie erhalten.“
Er erklärt das anhand eines einfachen Vergleichs: Bei konventioneller Physiotherapie können in etwa 50 bis 250 Schritte getätigt werden. Dabei müssen Patientinnen und Patienten von zumindest zwei Therapeuten unterstützt werden bzw. in einer Aufhängung trainieren. Im Lokomat hingegen können in einer Trainingseinheit bis zu 2.000 Schritte absolviert werden. Der Fokus liegt dort, wo er sein soll, nämlich auf dem eigentlichen Gehtraining bei gleichzeitiger Normalbelastung von Armen und Beinen. „Durch die hohe Wiederholungsrate wird zum Beispiel die Neuroplastizität optimal gefördert, d.h. die Bildung neuer Nervenbahnen wird angeregt. Weitere positive Effekte sind die Reduktion von Spastik bei Querschnittslähmung, einem reduzierten Medikamentenbedarf oder der Verringerung von Folgeerkrankungen wie Osteoporose.“
Versorgungslücken schließen
„In der stationären Akut-Reha sind wir in Österreich sehr gut aufgestellt, aber der Bedarf an ambulanter Rehabilitation steigt massiv“, erläutert Lackner weiter. „Die Vorzüge liegen dabei auf der Hand: Weniger stationäre Aufenthalte, eine effektivere Behandlung für die Patientinnen und Patienten und eine kostenschonendere Alternative für die öffentliche Hand.“ Hier werden die Vorteile der robotergestützten Therapie deutlich: „Es braucht in der konventionellen Physiotherapie in vielen Fällen zwei Therapeutinnen, Therapeuten pro Patient (2:1), während für die robotik-gestützte Physiotherapie auch bei schweren Fällen nur ein Verhältnis von 1:1, also eine Therapeutin, ein Therapeut pro Patientin, Patient notwendig ist.“
Text: Michaela Neubauer | Foto: © 2023kikosotto